Zwischenraum

von KATJA BLOMBERG, Kat. Oliver Kruse, Kunstverein Grevenbroich, Grevenbroich 2004

Wenn virtueller Raum Realität wird, finden Geist und Vorstellung neue Wege in die Wirklichkeit. Unbekannt ist die Raumerfahrung, neu ist die komplexe Form, die Oliver Kruse mit seiner Skulptur „Zwischenraum” in den Innen- und Außenbereich der Versandhalle Grevenbroich zeichnet: 14 X 14 cm dicke Leimbinder aus Fichtenholz umreißen einen Raum im Raum, oval, dreidimensional, zwischen Boden, Decke, Fenster und Wand gespannt, geborgen. Auf der anderen Seite wird das Volumen gespiegelt, losgelassen, befreit von gebauter Umgebung, entlassen in die Freiheit. Negativ, positiv, Innen-, Außenraum, Schutz- und Freiraum fließen wie zwei sich aufeinander beziehende Prinzipien ineinander, durchpulsen die Architektur wie ein tiefes Ein- und Ausatmen. Stellt sich die Form im Innen und Außen so selbstverständlich wie ein natürlicher Lebensimpuls dar, so ist sie Ergebnis CAD-gestützter Konstruktion und damit virtuellen Ursprungs. Gespiegelte, um ihre Achse gedrehte und auf unterschiedliche Niveaus bezogene, Formen, wie Oliver Kruse sie hier erstmals zur Wahrnehmung anbietet, ließen sich mit handwerklichen Mitteln weder exakt berechnen noch herstellen. Über CNC-Techniken werden dreidimsionale Formen aus Holzblöcken gefräst und zu einer Gesamtkonstruktion gefügt. Auf dem Feld der Plastik, die stets Thesen wagt, ohne, wie die Arch i t e k t u r, Richtlinien und Nutzbarkeiten zu achten, eröffnen digitale Strategien weitere Freiheiten. Oliver Kruse greift mit seiner Arbeit konkret in eine Architektur ein, wertet sie um, öffnet sie, verstellt sie und geht entschieden über sie hinaus. Während Alberto Giacometti sich in seinen Untersuchungen zum Thema „Zwischenraum” den Menschen als Bezugspunkt wählte und Matta Clark neue Erfahrungen von Zwischenräumen durch das aufsägen konventioneller Architekturen herstellte, macht Oliver Kruse mit Hilfe virtueller Konstruktionstechniken erneut bisher Undenkbares konkret.